Roter Fingerhut mit verschieden geöffneten Blüten

Fingerhut – wunderschöne Gefahr

Der Fingerhut (Digitalis), insbesondere der Rote Fingerhut (Digitalis purpurea) ist eine der auffälligsten und gefährlichsten Wildpflanzen Mitteleuropas. Trotz seiner Schönheit ist er für Menschen und Tiere hochgiftig – und das bereits in sehr geringen Mengen. Gerade für Einsteiger in die Welt der Wildkräuter ist es wichtig, mit unbekannten Pflanzen vorsichtig umzugehen und diese sicher zu identifizieren.

Mehrere Pflanzen des roten Fingerhuts auf einem Berg

Erkennungsmerkmale des roten Fingerhuts

Wuchsform:

  • Zweijährige krautige Staude
  • Im ersten Jahr bildet die Pflanze eine bodennahe Grundblattrosette
  • Im zweiten Jahr wächst ein aufrechter, meist unverzweigter Stängel, der 80 bis 200 cm hoch werden kann
  • Stängel beblättert, Blätter spiralig angeordnet

Blätter:

  • Grundständige Blätter: bis ca. 20 cm lang, lanzettlich bis eiförmig, langgestielt mit keilförmigem Spreitengrund
  • Oberständige Blätter: ungestielt, kleiner als die grundständigen
  • Blattspreite beidseitig behaart, unterseits grau-weißlich, mit netzartiger Aderung
  • Blattrand kerbig gesägt (feine Zähnung)
  • Blattstellung spiralig

Blüten:

  • Blütezeit von Juni bis August
  • Endständiger, traubiger Blütenstand mit vielen Blüten
  • Einzelblüten glockenförmig, 4 bis 6 cm lang, zygomorph (zweisymmetrisch)
  • Blütenfarbe meist purpurrot bis violett, selten weiß
  • Kronblätter zu einer fingerhutähnlichen Röhre verwachsen, innen behaart, außen kahl
  • Zweilippige Blüte mit auffällig gefleckter Unterlippe (dunkle Flecken auf hellem Grund)
  • Vier Staubblätter, Narbe zweilappig

Früchte und Samen:

  • Nach der Blüte entwickeln sich bis zu 12 mm große, eiförmige Kapselfrüchte
  • Samenreife im Spätsommer (August)
  • Samen werden durch Öffnung der Kapsel freigesetzt

Vorkommen und Standort:

  • Bevorzugt frische, kalkarme, saure, lockere und humusreiche Böden
  • Häufig an Waldrändern, Lichtungen, Kahlschlägen, Waldwegen und in Waldverlichtungen
  • Westeuropa, Mittel- und Nordeuropa, auch in Teilen Nordafrikas (Marokko) heimisch
  • In gemäßigten Breiten auch als Zierpflanze in Parks und Gärten verbreitet

Sonstiges:

  • Die Pflanze zieht mit ihren Blüten viele Bestäuber an, darunter Bienen und Schmetterlinge
  • Winterhart und pflegeleicht, bevorzugt halbschattige bis sonnige Standorte

Gefahren und bekannte Vergiftungsfälle

Alle Pflanzenteile des Fingerhuts sind extrem giftig, wobei die höchste Konzentration der Giftstoffe in den Blättern und Stängeln zu finden ist. Die Hauptwirkstoffe sind Digitalis-Glykoside wie Digitoxin und Digoxin, die auf das Herz wirken und bereits in geringer Dosis tödlich sein können. Schon zwei Blätter können für einen Erwachsenen tödlich sein, für Kinder reicht eine noch geringere Menge.

Typische Symptome einer Vergiftung sind:

  • Übelkeit, Erbrechen, Durchfall (teils blutig)
  • Leibschmerzen, Delirium, Halluzinationen
  • Sehstörungen, Herzrhythmusstörungen, verlangsamter Puls
  • Im schlimmsten Fall Herzstillstand und Tod

Die Giftigkeit ist so hoch, dass selbst Tiere die Pflanze meist meiden, und schon der Kontakt mit der Haut kann bei empfindlichen Menschen zu Reizungen führen.

Vergiftungsfälle durch Rauchen von Fingerhut

Es gibt dokumentierte Fälle, in denen Jugendliche versucht haben, Fingerhut zu rauchen, um eine berauschende Wirkung zu erzielen. Dies führte zu schweren Vergiftungen, da die toxischen Glykoside auch beim Rauchen aufgenommen werden können. Symptome wie Delirium, Halluzinationen und Herzrhythmusstörungen traten auf – in einigen Fällen mussten die Betroffenen intensivmedizinisch behandelt werden. Die Gefahr ist besonders hoch, weil die Wirkung unberechenbar und die tödliche Dosis schnell erreicht ist. Das Rauchen von Fingerhut ist lebensgefährlich und keinesfalls eine “ungefährliche Mutprobe”.

Nutzung in Medizin und Volksheilkunde

Fingerhut wurde bereits im 6. Jahrhundert als Heilpflanze genutzt. Die medizinische Bedeutung der Digitalis-Glykoside wurde jedoch erst im 18. Jahrhundert wissenschaftlich belegt. Heute werden standardisierte Extrakte aus Fingerhut zur Behandlung von Herzinsuffizienz und bestimmten Herzrhythmusstörungen eingesetzt – allerdings ausschließlich unter ärztlicher Kontrolle, da die therapeutische Breite sehr gering ist und eine Überdosierung schnell tödlich enden kann!
In der Volksheilkunde wurde Fingerhut früher auch äußerlich angewendet, etwa als Umschlag zur Wundheilung, doch wegen der hohen Giftigkeit ist davon dringend abzuraten.

Fazit

Fingerhut ist eine beeindruckende, aber hochgefährliche Wildpflanze. Für Wildkräuter-Neulinge gilt: Niemals probieren, weder essen noch rauchen – und beim Sammeln von Wildpflanzen immer auf eine sichere Bestimmung achten. Die medizinische Nutzung bleibt Fachleuten vorbehalten, da schon kleinste Mengen tödlich sein können.

Eine Pflanze des roten Fingerhuts neben einem Baum im Moos

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